Union kritisiert Wadephul

CDU rügt Außenminister wegen Syrien-Äußerungen – schnelle Korrektur auf Merz-Linie

Johann Wadephul (CDU) besuchte Harasta, einen zerstörten Vorort von Damaskus.
Johann Wadephul (CDU) besuchte Harasta, einen zerstörten Vorort von Damaskus.

Außenminister Johann Wadephul (CDU) sieht sich parteiinterner Kritik ausgesetzt, nachdem er Zweifel an einer raschen Rückkehr syrischer Flüchtlinge geäußert hatte. Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Günter Krings erklärte Wadephuls Aussage am Montag für irrelevant: Seine »spontane Äußerung« werde »aus dem Zusammenhang gerissen«, wenn man ihr »irgendeine Relevanz für die anstehenden und notwendigen Rückführungen nach Syrien« geben wolle. Der syrische Bürgerkrieg sei vorbei, eine Rückkehr für die allermeisten Syrer zumutbar.

Der Zerstörungsgrad eines Landes sei als Argument gegen Rückführungen »denkbar ungeeignet«, so Krings gegenüber »Bild«. »Denn wer soll ein zerstörtes Land wieder aufbauen, wenn das nicht seine eigenen Staatsbürger und Staatsbürgerinnen tun?« Auch Sachsen-Anhalts CDU-Chef und Wirtschaftsminister Sven Schulze, Mitglied im CDU-Präsidium, widersprach dem Außenminister: »Der Fluchtgrund für Hunderttausende Syrer war der mittlerweile beendete Bürgerkrieg. Somit muss jetzt ganz gezielt an einer Strategie zur schnellen Rückkehr dieser Menschen gearbeitet werden.« Ein teilweise zerstörtes Land und schlechtere Lebensbedingungen als in Deutschland seien »kein Grund, daran nicht zu arbeiten«.

Wadephul hatte sich am Donnerstag nach einem Besuch in Syrien zurückhaltend über mögliche Rückkehrperspektiven geäußert. Diese seien »zum jetzigen Zeitpunkt nur sehr eingeschränkt möglich«, da »sehr viel an Infrastruktur« zerstört sei. In Harasta, einem schwer verwüsteten Vorort von Damaskus, sagte der Minister: »Hier können wirklich kaum Menschen richtig würdig leben.« Ein solches Ausmaß an Zerstörung habe er bisher nicht gesehen. Zugleich betonte er, dass jeder Syrer, »der bei uns bleibt und sich bei uns in unsere Gesellschaft einbringt«, weiterhin willkommen sei. Die syrische Regierung schätze zwar die in Deutschland ausgebildeten jungen Syrer, diese könnten aber frei entscheiden, welchen Weg sie wählen, so Wadephul.

»Hier können wirklich kaum Menschen richtig würdig leben.«

Johann Wadephul Außenminister

Die schnelle parteiinterne Reaktion auf Wadephuls Äußerungen offenbart unterschiedliche Gewichtungen innerhalb der Union. Während der Außenminister aus der Perspektive seines Ressorts die humanitäre und praktische Dimension einer Rückkehr betonte, reagierten Teile der Fraktion umgehend mit einer Korrektur nach rechts. Die harte Linie in der Migrationspolitik ist zentraler Bestandteil der Strategie von Bundeskanzler Friedrich Merz gegen die AfD und Kern der Politik des Innenministeriums unter Alexander Dobrindt (CSU). Diese basiert darauf, die »Sorgen der Menschen« ernst zu nehmen und durch eigene rigide Politik zu zeigen, dass es die AfD für eine restriktive Migrationspolitik nicht brauche.

In diesem Kontext wirken Wadephuls Aussagen wie eine potenzielle Störung der parteistrategischen Linie. Entsprechend schnell erfolgte die Klarstellung durch ranghohe Parteifunktionäre. Dass die migrationspolitische Fixierung der Union nicht unumstritten ist, zeigt sich zeitgleich an anderer Stelle. Eine Gruppe von Christdemokrat*innen um Ex-Generalsekretär Ruprecht Polenz gründete vergangene Woche die Plattform »Compass Mitte«, die eine »Kurskorrektur« von Merz fordert. Die Gruppe bemängelt, die Partei verliere unter Merz ihre »politische Bandbreite« und drohe durch zu einseitige Fixierung nach rechts »ihren Wertekompass zu verlieren«.

CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann bemühte sich im ARD-Format »Bericht aus Berlin« um Schadensbegrenzung und sprach von einem »Scheinkonflikt«. Innenminister Dobrindt und Außenminister Wadephul seien der gleichen Meinung: »Wir schieben ab, wir müssen abschieben, natürlich die Straftäter. Und alles Weitere, sobald es rechtlich möglich ist, werden wir auch angehen.« Auch Kanzleramtsminister Thorsten Frei (CDU) versicherte im Deutschlandfunk, Wadephul habe sich lediglich zur Situation vor Ort geäußert. Die Bundesregierung arbeite »an der Stabilisierung Syriens, selbstverständlich mit der Zielsetzung, dass die Menschen dann dorthin wieder zurückkehren können«.

Die Koalition aus Union und SPD hat sich im Koalitionsvertrag darauf verständigt, Abschiebungen nach Syrien durchzuführen, beginnend mit Straftätern. Voraussetzung ist eine Vereinbarung mit der neuen, von Islamisten angeführten Regierung in Damaskus. Die Gespräche dauern an. Innenminister Dobrindt hat zudem das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge angewiesen, wieder Asylanträge von jungen, arbeitsfähigen, alleinreisenden syrischen Männern zu bearbeiten.

Gleichzeitig hat das Bundesinnenministerium entschieden, sogenannte Erkundungsreisen für syrische Flüchtlinge nicht zu ermöglichen. Wer in die alte Heimat reist, riskiert somit den Schutzstatus in Deutschland. Die frühere Ampel-Regierung hatte eine solche Regelung noch erwogen, aber nicht umgesetzt.

Die Lage in Syrien bleibt bald ein Jahr nach dem Sturz von Machthaber Assad unübersichtlich und gefährlich. Es kommt immer wieder zu Gewaltausbrüchen mit teils Hunderten Toten. Die neue Regierung steht im Verdacht, Minderheiten wie Alawiten, Drusen oder Kurden nicht ausreichend zu schützen.Kritik kommt derweil von der Linken. So erklärt Cansu Özdemir, außenpolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion, die Kritik an Wadephul aus den eigenen Reihen zeige, dass die Politik der Union »weder wertebasiert ist noch den Realitäten Rechnung trägt«. Der Standpunkt der Linken sei eindeutig: »Keine Abschiebungen nach Syrien, keine Deals mit Islamisten.«  Mit Agenturen

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